Streng geheim! Kapitel 1 – Wo der Geier ist Arjeplog?

Das alles hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun, es sind Legenden. Mitfühlen können nur diejenigen, die selbst erfahren haben, wie sich minus 40 Grad mit dickem Kopf und klammen Fingern anfühlen, wenn Du froh bist, dass Dein bisschen Hosentaschenwärme den Schlüssel so angewärmt hat, dass er sich ins Schloss der Fahrertüre stecken lässt. Es ist sieben Uhr früh und sacknacht (schwäbisch für ziemlich dunkel). Aufschließen und Türöffnen wird zum zweiten Erfolgserlebnis. Du lässt Dich wie sonst auch ins Polster fallen und bekommst einen Schlag ins Kreuz, weil auch der Sitz den Gesetzen der niedrigen Temperaturen gehorcht und steinhart ist. Noch läuft der Motor nicht, das Kupplungspedal bleibt am Bodenblech hängen und die Bremse fühlt sich an wie ein Stein. Die Türe fällt nicht ins Schloss, sie gibt leise knarrend wieder einen schmalen Blick nach draußen frei. Die Frontscheibe sammelt den Wassergehalt des Atems, hier wird der Scheibenwischer für innen erfunden .
Du fummelst den Schlüssel mit der Linken ins Schloss, weil die Rechte mittlerweile kälteuntauglich geworden ist und den Schlüssel nicht mehr halten kann.
Eine Schlüsselheizung wird zusammen mit der Lenkradheizung ins „Patentanmeldegedächtnis“ geschrieben. Was mach ich eigentlich hier?

1976 als Jungingenieur, seit einem halben Jahr „dabei“, helfe ich den Kollegen drei Erprobungsträger mit Wintererprobungsausrüstung zu beladen. Das sind Fahrzeuge, die mit der neuen ABS-Bremse ausgerüstet sind, zum Messen, Weiterentwickeln und zum Erproben.
Fahrende Labore mit Messaufbauten von 60 Kilo anstatt Beifahrersitz, Stromgenerator im Kofferraum und mit Sensoren und Messelementen verkabelt.

Es soll nach Arjeplog – wo der Geier ist Arjeplog? – gehen, zur Wintererprobung. Es ist Anfang Januar, Wetter zuhaus unwirtlich und am nächsten Montag soll es losgehen. Ich schau mal auf einer Straßenkarte nach, wo das ist. Der Kollege schmunzelt, klappt die Karte weiter auf, mehr mach oben, mehr, mehr, so knapp unterm Polarkreis, 2750 km von Heidelberg weg. Zwischen nichts und nirgends.

Die Fahrzeuge füllen sich, für persönliches Gepäck bleibt ein kleines Plätzchen. Sitz verstellen geht auch nicht mehr. Tank ist gefüllt, der Reifendruck erhöht. Es kann losgehen.

©Jürgen Zechmann