Wieder mue-split-Zeit. Aber diesmal muss es auf den See und da ist wieder Engineering gefordert. Wie macht man griffige Straße? Mit Sand – Sand und Wasser, gefroren.
Also haben wir uns ans Werk gemacht, Sand zu besorgen. Jeder hätte das mal an einer kleinen Fläche ausprobiert, aber wir waren zu stolz dazu. In die Vollen. 50 Meter müssen schon sein und zwar zwei Meter breit. Da der Ingenieur zunächst alles mal rechnet, hat sich einer ausgerechnet, dass wir bei einer Fläche und Sanddicke … und na ja, einen Kofferraum voll Sand brauchen. David kam dann kopfschüttelnd, aber dennoch auch interessiert, mit einer Schauffelladerschaufel voll Sand an und Ingenieure haben den Sand gleichmäßig in einer langen Bahn verteilt. Wo ?? Auf dem See natürlich, wo denn sonst??
Damit das Wasser, das man zum Binden braucht, den Sand nicht weg spült, wurde es, so die Idee, mit Gießkannen verteilt. Soweit die Theorie. Entstand wie schon mal angedeutet am Dienstag Abend an der Bar nach dem zweiten Bier. Nächster Morgen im „Baumarkt“ Arjeplogs Järn. Man stelle sich vor, ne Garage mit nutzbaren Utensilien zugestellt. Von Angelschnüren bis Zangen, von Kaffeekannen bis Seife. Zweitaktölgeschmack mit altem Zigarettenrauch garniert. Alles da, was nicht da war, brauche man nicht, aber wir brauchen jetzt nen Rasenrechen und ne Gießkanne, besser zwei mit Sieb zum Regnen lassen, also kein Wasserfall – erklär das mal in Schwenglisch. Ohne Vokabeln. Lehrstunde für Sprachforscher.
Letztendlich hat er was aus dem Sommerlager ausgegraben, die Kanne so schön grün wie unsere und alle waren stolz – wir mit Rechen und zwei Kannen, er wegen des riesigen Geschäfts, das er grade gemacht hat. Ob er wirklich verstanden hatte, zu was wir das brauchen? Er wird’s irgendwann erzählt bekommen und dann sich ne stolzgeschwellte Brust gemacht haben, dass das seine Kannen waren.
Wieder auf dem See – dem zugefrorenen – wie kommt man an Wasser?Logisch, Loch bohren, schöpfen. Mann ist das Eis dick und das Wasser kalt. Wieder mal Platz für das berühmte, abgewandelte Zitat von dem Ritter.
Was aber macht Wasser, wenn es ihm zu kalt wird ? Klar – in dem Verteilvorsatz, der viele kleine Tröpfchen macht – Aggregatzustand wechseln. Und jetzt? Bist Du nicht willig … Wasser muss warm sein, damit es nicht (so schnell) friert. Wo gibt es warmes Wasser? Klar unter der Dusche – im Hotel. Und Gefäße waren auch bald gefunden, Gunn-Marie hat zwar etwas geschmunzelt, aber langsam konnten wir bei ihr kein Erstaunen mehr hervorrufen. Damit wir zum Ende kommen: es hat funktioniert, nur eben für eine Fahrt. Die Reifen haben so tiefe Spuren in den Sand gefräst, dass man jede ABS-Regelung auf dem Sand sehen konnte. Das ging solange gut, solange noch Sand festgefroren war, aber … nichts ist für die Ewigkeit … stabil ist was anderes. Aber war auch mal interessant, eine ABS-Bremsung SO zu sehen. Leider gab‘s keinen Foto in der Nähe … sorry. Die verschiedenen Phasen der Regelung sah man deutlich im Sand. Viel Schlupf – wenig Sand, wenig Schlupf – viel Sand in der Spur.
Hab ich schon erklärt, was Schlupf ist? Dann also: Wenn das Rad mit der Radaufstandsfläche leicht oder etwas mehr auf der Straße rutscht, spricht man von Schlupf, so eben wie sich das Wort spricht. Es gibt eine grafische Darstellung hierzu, die sogenannte mue-Schlupf-Kurve, die „Schlupfe“.
Damit kann man erklären, wie das ABS so arbeitet. Hab ich aber hier mal wieder keinen Bock zu, steht in einem anderen Buch.
Also weiter mit dem Sand und dem mue-split:
Wieder an die Bar? Nachdenken? Gebundener Sand. Wie gut, dass niemand weiß, dass Heimwerkergedanken mit Bier ….
Der nächste Versuch war Sandpapier. Wo gibt es Sandpapier auf der Rolle, das unseren Ansprüchen genügt? David kam damit drei Tage später an. Halber Meter breit, Rollen mit zehn Metern, schönes helles Gelb mit Sand drauf geklebt – zum Parkettabschleifen. OK. Sehr gut, aber wie auf dem Eis befestigen? Klar, wie man Dachpappe eben befestigt. Mit Dachpappnägel. Zweites dickes Geschäft bei Arjeplogs Järn. So standen Ingenieure wieder auf dem Eis, diesmal nicht mit Gießkanne, sondern mit Hämmern und haben die halben Meter breite, gelbe mit sandbeklebte Pappe aufs Eis genagelt. Ohne Rechnung, mit Schätzung oder Hoffnung. Ein Nagel alle zwanzig Zentimeter müsste reichen. Hat auch gereicht, bis einer drüber fuhr und gebremst hat. Ich weiß jetzt, wo sich überall Sandpapier unterm Fahrzeug verteilen und verstecken kann. Aber das Ergebnis der Erkenntnis: Im Prinzip geht es ja, man muss die Pappe nur anfrieren, die Nägel alle wieder finden und , na ja, schaun mr mal. Es hat schon irgendwie funktioniert, aber eben nur irgendwie. Die letzten Nägel hat dann Felix in den Reifen gefunden.
Kurzer Sprung dreißig Jahre weiter. Gleiches Thema, Asphalt auf dem See. Geht und zwar Spitze. Was in Lego geht, geht in Echt auch. Stahlrahmen zwei mal zwei Meter, Armierung, Asphalt rein, festwalzen, Heizkabel drauf, noch mehr Asphalt, eben walzen – das Ganze dreißigmal, gibt eine Strecke von sechzig Metern. Im Eis aufm See ne Wanne aus gefräst, rein gelegt, zufrieren lassen, fertig. Na ja, sooo einfach war’s auch nicht. Es ist schlau, unten ne Isolation anzubringen, wenn man oben elektrisch heizt – damit die Oberfläche trocken bleibt – und die Platten nicht im Eis versinken … aber warum sollte man den Fehlern nicht auch ne Chance geben.
©Jürgen Zechmann