Sind Ihnen beim Einkaufen auch schon die hübschen Dosen im Fisch-Kühlregal aufgefallen? Falls Sie eine gekauft und diese ahnungslos geöffnet haben, können Sie sicherlich eine tolle Geschichte erzählen. Und die von Ihnen, die noch keine Bekanntschaft mit den verlockenden Dosen gemacht haben, seien gewarnt, der Inhalt hat es in sich: Es handelt sich um Surströming, sauren Hering. Surströmming ist ein in Salz eingelegter und durch Gärung haltbar gemachter Fisch. Bei dem Gärungsprozess entwickeln sich extreme Geruchsbakterien. Und mit extrem ist extrem gemeint. Spritzt beim Öffnen der Dose Flüssigkeit auf die Kleidung, was zwangsläufig geschieht, wenn die Dose nicht fachmännisch im 45 Grad Winkel oder unter Wasser geöffnet wird, kann man das Kleidungsstück getrost wegwerfen oder als (Geruchs-)Erinnerungsstück an das Surströmmingessen aufbewahren. Beim Surströmming scheiden sich die Geister. Für die einen ist es ein Hochgenuss, für die anderen ein Gräuel. Sogar bei den toleranten Schweden kann es zum Aufbegehren führen, wenn der Gestank durch Mietwohnungen wabert, die im besten Fall noch durch eine Entlüftungsanlage miteinander verbunden sind. Es ist sogar schon zu Räumungsklagen gekommen, weil Mieter einmal wöchentlich dem Extremgenuss von Surströmming frönten.
Surströmming wird meist von kleinen Firmen nordwärts der Höger Küste (Sundsvall) produziert und ist eine typisch nordschwedische Delikatesse. In Kallax, in der Nähe vom Flughafen Luleå, ist es sogar die Dorfgemeinschaft, die gemeinsam den Stinkefisch herstellt. Der Hering wird im April und Mai in der Ostsee gefischt und direkt für 24 Stunden in Salzlake eingelegt. Dann werden Kopf und Innereien entfernt und die Fische in Fässer mit neuer Salzlake gefüllt. Jeder Hersteller hat seine eigenen Geheimnisse, wie er den Gärungsprozess in Gang bringt. Die Temperatur spielt jedoch eine große Rolle, so werden beispielsweise die Fässer tagsüber einige Stunden in die Sonne gerollt. Nach acht bis zehn Wochen wird dann der Fisch in Konservendosen verpackt und in den Handel gebracht.
Wie Weinkenner voller Vorfreude die Premiere des neuen Beaujolais am dritten Donnerstag im November erwarten, fiebern die Surströmming-Fans dem dritten Donnerstag im August entgegen. Dann ist es soweit, der aktuelle Jahrgang kommt in den Handel. Ein Geheimtipp ist jedoch, den Fisch des Vorjahres zu genießen, den man ein Jahr im Kühlschrank gehamstert hat. Der Geschmack ist milder und weniger salzig.
Gegessen wird der Fisch unter Gleichgesinnten. Beliebt ist ein Surströmming „Klämma“: In ein mjukbröd (weiches nordschwedisches Fladenbrot) füllt man etwas Fisch, rote Zwiebeln, Tomaten und viel Dressing aus saurer Sahne und anderen geheimen Zutaten. Manche schwören auf Milch als passendes Getränk, der echte Schwede trinkt jedoch lieber Bier und Schnaps unbekannter Menge – vielleicht um die Geruchsnerven zu beruhigen?