Diese Aussage von Kunden hören wir immer wieder. Also muss Abhilfe her. Der Kunde droht mit Besuch und ist im Anmarsch. Vier Ringe rollen an. Nur ein paar Tage Zeit, man müsste das ganze Konzept ändern, was aber viel Zeit kostet. Eine Pumpe und klappernde Ventile und Hydraulikschwingungen sind nun mal nicht leise. Ein schlauer Scheffscheffscheff macht einen Vorschlag. Wir machen das Teil mit ungewöhnlichen Mitteln leise und versuchen, dem Kunden ein MhM mit dem „ja, so haben wir uns das vorgestellt“ abzuringen.
Also hirnen wir uns alle Möglichkeiten zurecht und probieren, was das Zeug hält. Wenn man ein rund zwei Kilo wiegendes Hydraulikgerät an ich weiß nicht wie viel Gummiringen an allen Kanten und Ecken, die es im Motorraum gibt, aufhängt, alle festen Rohre durch Hydraulikschläuche ersetzt, wird das Teil ruhig, weil der produzierte Schall nicht direkt in die Karosserie eingeleitet werden kann. So weit, so gut. Die Kundschaft fährt, nur dass man dem Scheffscheffscheff des Kunden nicht die ganze Wahrheit, dass es sich nur um einen Versuch handeln würde, erzählt hatte. Der ist begeistert, voll des Lobes und geht doch, wir sind die Besten. …. und öffnet die Motorhaube und sieht das Gespinst an Gummi …. Wieder ein Harakiri an der Bar, aber diesmal ohne Bettlieferung.
Der Bremsschuss
Wir testen natürlich nicht nur auf glattem Eis, glatter Straße oder Schnee. Wir fahren überall und testen immer mal wieder. So kommen wir auch zu einer schneebedeckten Fahrbahn, die zwar festgefahren ist, aber wellig wie Wattsand. Corrugations. Von außen betrachtet, sehen die Räder aus, als hätten sie Schüttelfrost.Irgendwie bremst das auch nicht richtig, es ist eher ein Schweben.
Houston – we have a problem!
Das Prozedere mit dem hirnen, Elektronik Auseinanderundwiederzusammenbauen. Hoffen, dass sich kein Fehler eingeschlichen hat und Zuversicht, dass die Algorithmusänderung dem Problem Abhilfe schafft. Ein Tag im Labor verfliegt ungebremst. Die Kutscher machen Ablage, heißt Schriebe beschriften, anschauen, Optimierungspotential finden, Ordner füllen und im Fahrzeug mal wieder Ordnung schaffen. Messkabel entwirren und Schraubenzieher finden.
Die ersten Meßschriebe zeigen Verbesserungspotential und die OK-Häkchen werden rar. Nachtarbeit, solange der Straßenzustand noch anhält. Und das Stückchen Straße ist auch nicht grade vorm Hotel. Die Stimmung ist gedrückt. Um wenigstens eine Tendenz einer Verbesserung zu erkennen, montieren wir das Messrad und fahren ein paar Bremswege, alt gegen neu. Aber die Messungen sind wie Lotto. Nichts passt zusammen. Den Kollegen drückt der Kaffee und er stellt sich an den Straßenrand, – schnell ne Messung, solange der die Tannen gießt. Der schaut nebenbei zu und sieht, was das Messrad hinten so treibt.
„Weißt Du eigentlich, was das Rad da hinten misst? Mist!“ Es ist bei der stuckerichen Fahrbahn mehr in der Luft als auf dem Boden, schwänzelt hin und her. Wir schleichen mit dem Ergebnis heim. In der Werkstatt kommt sofort Freude auf. Kein Problem, da machen wir die Bremsschüsse dran.
Kleine Auszeit, solange er montiert :
Es war von anderer Seite schon bekannt, dass man auf manchen Fahrbahnen das Messrad vergessen kann. Deshalb hat sich unser Tüftler Felix – der das Klappmessrad erfunden hat – ausgedacht, dass man hinten an der Stoßstange Farbpatronen anbringen kann, die bei Betätigung des Bremspedals einen Farbklecks auf die Fahrbahn schießen. Damit nicht nach jeder Bremsung eine neue Patrone eingesetzt werden muss, hat er eine Vorrichtung gebaut, in der zehn Patronen nebeneinander stecken, die Zünddrähte sind mit einem Zehnstufenschalter verbunden, damit man nach jedem Schuss vom Fahrersitz aus weiter schalten kann. Dickes Kabel von hinten durchs Fenster nach vorne. Wenn zehn aufgebraucht sind, kommen die nächsten zehn dran. Nun misst man mit einem laaangen Maßband die Strecke zwischen dem roten Punkt auf der Straße und der Vorrichtung an der hinteren Stoßstange und hat somit einen Bremsweg. Zur nächsten Messung wird der alte Punkt mit Schnee bedeckt und fest getreten. Felix muss dann vorher immer vier oder fünf dieser Magazine in mühevoller Kleinarbeit bestücken und verdrahten.
Wir fahren wieder zu unserem Lieblingsstraßenstück und haben vier Satz dabei, reicht also für vierzig Messungen. Kommt grade so hin, sechsunddreißig brauchen wir.
Die ersten Werte sehen vernünftig aus, es beginnt zu passen.
Das erste Päckchen ist durch, ich steh auf der Bremse, schaue Messschriebe an, der Kollege tauscht hinten das Magazin. Von hinten kommt das OK, ich dreh den Schalter von zehn auf 1 und rrrrrrrrrrt – alle zehn auf der Straße. Rotes Pulverhäufchen. Klar, auf die Bremse treten heißt Schuss und … ich überlege schon mal, wie ich das Felix erkläre. Geheimzuhalten ist das ja nicht, es erzeugt zu viele Lacher und die müssen auch sein.
Das Monument
Wir fuhren zum See (heißt: Teststrecke auf dem See) immer am Hangar vorbei und die Sliprampe für die Flugzeuge runter aufs Eis. Es standen um den Hangar herum immer mal wieder Flugzeuge und wir peilten unter den Tragflächen zwischendurch. Hat immer so funktioniert, bis eines Tages David aus dem Hangar kommt und uns anhält. Bitte benutzt die neue Zufahrt, auf der anderen Seite, dort drüben. Eure Antennen schlitzen uns die Tragflächen unten auf. – Au weia.
Die neue Zufahrt war auf der anderen Seite des Hafens und man musste eben nur 100m weiter fahren. Alle wurden informiert und so funktionierte das bis zum Ende der Erprobung. Dann, im nächsten Jahr, war kein Flieger mehr da, und wir nahmen wieder die kurze Strecke am Hangar vorbei. Bis auf den Kollegen, dem beim Heimfahren vom See eingefallen war, dass man nicht mehr am Hangar vorbei sollte und just die Strecke vom letzten Jahr nahm. Er wunderte sich noch, dass der Weg nicht so glatt geräumt war, fuhr aber wacker zu und es wunderte ihn dann doch, dass die Straße so hoch angelegt war. Er war ja bereits auf der Straße neben dem Hafenbecken. Also hielt er an und just in dem Moment knirschte es draußen gewaltig und das Fahrzeug sackte um einen halben Meter ab. Das Ganze zu erforschen, stieg er dann aus und verschwand neben dem Auto bis zur Hüfte im Schnee – im Harsch.
Es hatte für einen oder zwei Tage getaut und dann wieder gefroren. So bildete sich eine stabile Schicht, die man zwar befahren konnte – siehe die Geschichte mit den Straßenrändern – aber nicht drauf stehen. Weder mit Auto noch mit Füßen. Ergo wirkt Erdanziehung senkrecht. Und so steckte der Arme bei offener Fahrertüre neben dem Auto im Schnee fest und hörte ganz in der Nähe die Geräusche eines Radladers, der irgendwo Schnee räumte. So ein riesen gelbes Gerät mit großer Schaufel vorne, die mehrere Kubikmeter Schnee auf einmal fassen konnte.
Das Geräusch veränderte sich, kam näher und – die Türe war ja zunächst zum Schauen im Weg und saß im Schnee auf – aber dann mit freiem Durchblick um die Türe rum, sah er wie der Schwede mit seinem Lader anfing, eine Schneise von der Straße her auf ihn zu frei zu schaufeln. Damit er nicht unter die Räder kam, wollte Herr Kollege wieder ins Fahrzeug, was aber zu hoch für ihn war. So bemerkte er, wie sich der Schaufellader vorsichtig zunächst in seine Richtung auf ihn zu schaufelte, bis einen halben Meter vor ihm und so konnte er sich als Erstgeretteter das Spiel von der ersten Reihe aus ansehen. Das Fahrzeug stand wie auf einem Podest in Siegerpose einen dreiviertel Meter über dem Boden und die Räder hingen „frei schwingend“ in der Luft. Als die Schneise dann vor dem Fahrzeug frei war, langte der Schwede mit der Schaufel vorsichtig unter das Fahrzeug, hob es an den Vorderrädern etwas an und zog es laaangsam vom Sockel. Als es wieder auf festem Boden stand, verschwand er grußlos und widmete sich wieder seinem Schneeräumen in der Nähe. Hier brauchst Du keine Freunde, hier wirst Du geholfen.
©Jürgen Zechmann