Ein Original Fuzzy-Generator ist jetzt in der Ausstellung „WINTER CAR TESTING“ zu bewundern. Willkommen!
Fuzzy – wir machen 220Volt und ein paar Ampere im Kofferraum
Gaanz weit vorne hab ich mal erklärt, was ein Fuzzy ist. Für die Kurzmerker, hier nochmal.
Der Messaufbau – kommt gleich – braucht eine Stromversorgung. War ja das meiste gekauft und für Laborbetrieb ausgelegt, alle Verstärker, der Drucker. Und so braucht man eine autonome Energieversorgung – einen Fuzzy. Das waren Generatoren mit einem Zweitaktmotor, die im Kofferraum auf einer Holzplatte platziert ihren Dienst taten. Das Ganze war so verstrebt, dass es beim Bremsen kein Eigenleben entwickeln konnte und daneben war ein Rahmen, auf den ein Kanister mit Extrasprit geschnallt war. Ja Sprit – Zweitaktfusel. Damit der Kamerad seine Verlustwärme und Abgase losgeworden ist, war der Kofferraumdeckel von einem Halter etwa 15 cm offen gehalten. An dem Halter war auch der Abgasschlauch befestigt und er hing wie ein Lämmerschwanz hinten runter und fahnte hellblau. Angeworfen wurde der Fuzzy mit Seilzugstarter, was die morgendliche
Sportstunde ersetzte. RRRrr – RRrrr – Rrrr – rrrrrrrrrr. Ohnen rrrrrrrrrr kein Messen. Und die Innenraumlüftung etwas höhergedreht, damit der Mief wenigstens draußen blieb. Eine Tankfüllung hat ungefähr ne Stunde gehalten und so mussten wir immer rechtzeitig nachfüllen – deshalb der
Ersatzkanister daneben – damit der Messaufbau bei Laune blieb. Das Gerät hat ungefähr ein Kilowatt geliefert, wenn man weitere Geräte betrieben hat,
kam er dann schon ins Schnaufen da hinten oder hat sich verabschiedet, so mitten inner Messung. Götzzitat, Wörter, die nicht druckbar sind.
Eines Tages kam dann ein Kollege mit was ganz Neuem. Das war ne Kiste mit etwa 20 Kilo und so groß wie ein Koffer für drei Wochen. Dazu hat man
noch zwei Batterien – LKW-Size gebraucht, weil sie aus 24 Volt Gleichspannung 220 Volt Wechselspannung mit wiederum einem Kilowatt Leistung
gemacht hat. Nun hat ein Auto aber nur 12 Volt Bordspannung. Der schlaue Ingenieur baut im Motorraum den Klimakompressor aus und ne 24 Volt
Lichtmaschine ein. Fertig. Das war das Ende des rrrrrrrrrr und der Deckel hinten blieb auch zu, weil sonst die Batterien gefroren hätten. Nur die
Überlastabschaltung war etwas heimtückischer. Hat sich nicht mit einem gequälten rrrrRRR gemeldet sondern mit „Klack“- aus.
Was mir grade noch einfällt: Die tiefen Temperaturen, also die Gegend um die dreißig, ließen einen Fuzzy einfrieren, der dann mit Kolbenklemmer den Dienst verweigert hat. Und das mitten in einer Messreihe. Der Kollege steigt wutschnaubend aus, reißt den Kofferraumdeckel auf und will mit der geballten Kraft seiner Laune das Teil starten. Der wiederum weiß was kommt und blockiert. Nicht mental, sondern mechanisch. Es kommt was kommen muss, der Kollege reißt mit dem Starterzug den gesamten Fuzzy aus dem Kofferraum, der knallt hinter dem Fahrzeug aufs Eis und der Kollege
kommentiert “ So des haste jetzt davon.“
Lennard von der Tanke gibt uns später den Tipp, etwas mehr Öl beizumischen, das riecht dann zwar etwas strenger hinten raus aber er frisst nicht mehr so schnell.
Du hat die Kollegen auf dem See erst gerochen, und dann erst gesehen.
Der Messaufbau
Hatte ich eigentlich schon den Messaufbau beschrieben?
Das war der allgegenwärtige Beifahrer. Vierkantig, 60 kg schwer und wie schon mal geschrieben auf vier Motorlagern anstatt Beifahrersitz.
Das Ding – alles selbstgebaut – hatte einen Rahmen, blaumetallic Hammerschlaglack. Oben das Aufzeichnungsgerät, ein „Honeywell“ 18 Kanal-Schreiber, der so funktionierte: Diverse Verstärker liefern ein spannungsabhängiges Signal, es bewegte analog der Spannung Minispiegel, die in kleinen kugelschreiberminenähnlichen Stiften nebeneinander hinter einer Klappe steckten. Man konnte sie mechanisch drehen, deshalb gehörte zur Grundausrüstung der viel beschriebene kleine Schraubendreher. Man konnte so den Nullpunkt des Lichtstrahls einstellen. Lichtstrahl: Eine UV-Lampe erzeugte einen satten flachen Lichtfächer, der auf die Spiegelchen strahlte, diese wiederum reflektierten das Licht und projizierten es auf einen schmalen „Bildschirm“, hinter dem das lichtempfindliche Papier mit einem Vorschub von 100 ms (Millisekunden) pro zwei Zentimeter vorbeigeschoben wurde und die Messsignale aufzeichnete. Die Spiegel verdrehten sich durch die angelegten Spannungen, die aus den Messsignalen gewonnen wurden.
Druckmessung: Die beschriebenen Druckaufnehmerleitungen steckten in je einem Messverstärker, der wiederum von einer Versorgung gespeist wurde. Also dreimal zwei dieser Geräte so groß wie zwei dicke Romantaschenbücher, mit grauer Front und jede Menge Rädchen. Die Geräte waren hinter dem Schreiber pultartig eingebaut. Um offene Steckverbindungen auf der Rückseite zu schützen waren kleine Deckelchen an Badewannenkettchen befestigt und die nicht benötigten Deckelchen klapperten bei jeder Bewegung des Messaufbaus. Uns begleitete also ein sanftes Dauerklingeln, als Untermalung der rrrrrrrrrrr ausm Kofferraum.
Die Aufbereitung der Radgeschwindigkeiten machte eine extra Box, die Signale gingen dann – klar mit Kabeln – auf deren Messverstärker, die unter dem Schreiber platziert waren. Dazwischen selbstgebaute Signalaufbereitungen für die Anzeige der Magnetventilstellungen, Radverzögerungen und Schlüpfe (Radschlupf ist der Geschwindigkeitsunterschied zwischen Fahrbahn und Rad, fragt mal die Welt, vielleicht wird es dort erklärt, aber man muss ja nicht alles verstehen.) Seitlich waren diverse Schalter zum Kalibrieren, zum Signalauswählen gab’s einen Kreuzschienenverteiler und für externe Geräte dicke 12 Volt Bordspannung auf Buchsen. Es war sicher noch mehr in diesem Wunderwerk, aber das meiste ist erklärt.
Mal nebenbei, unsere Weltordnung waren Regel-, Schriebauflösung in Millisekunden, Geschwindigkeiten in 1/4 km/h-Auflösung, kleinste Bremswegmesseinheit cm, Spannungen in MilliVolt.
Alle größeren Maßeinheiten waren uns nicht geläufig, erst wieder die Schwedische Meile = 10 deutsche Kilometer und die Tachoanzeige interessierte uns erst ab 100 kmh.
Um das Teil ins Fahrzeug zu hieven hatte unser Allerweltsschrauber Felix aus einem Hydraulikwagenheber und viel Rohr einen Kranen gebaut, mit dem man das Teil auf die Halterung am Fahrzeugboden bugsieren konnte. Da nicht alle Türrahmen mit den Dimensionen des Messaufbaus zusammenpassten, waren alle Versuchsfahrzeuge an den Beifahrertürverkleidungen verschrammt, als wär man mit der Kettensäge vorbeigekommen.
©Jürgen Zechmann