Zeit für Erklärungen wieder mal: Es hat sich also eingebürgert, dass wir in Schwedischen Häusern wohnen. Es gibt bis zu einhundert davon, die über Agenturen an Tester – egal woher aus dieser Welt – vermietet werden. Die Leute ziehen aus, als ob sie in Urlaub fahren, lassen alles Persönliche im Haus und kommen ab und an vorbei, zum Putzen, ihre Wäsche zu waschen, weil sie in ihrer Unterkunft keine Waschmaschine oder Trockner haben. Sie kommen heim, ohne dass wir das irgendwie mal gesehen hätten, der Schnee vor der Garage ist entfernt, die Betten sind frisch bezogen, es steht ein frischer Kuchen auf dem Küchentisch und so weiter, Heinzelmännchen eben, kommen und verschwinden wie die Schneegeister auf den Straßen. Aber es gibt auch die anderen, die am ersten oder zweiten Abend zum Begrüßen vorbei kommen. Aber der Reihe nach. Man bekommt im Büro der Teststrecke den Hausschlüssel und die Adresse. Gegen Abend fährst du hin und schleichst dich aus dem Auto, und bist erst mal heilfroh, wenn sich der Schlüssel im Haustürschloss drehen lässt. Das Richtige erwischt. Hoffentlich keiner da. Nun geht das große Forschen los. Riechprobe, Hausmüffel abspeichern. Wo ist welches Zimmer, wie sind sie eingerichtet? Natürlich aus dem berühmten Möbelhaus und die Beleuchtung maximal 30 Watt pro Lampe. Die Schwedischen Elektroverkabelungen haben sich wohl nicht geändert in den letzten Jahren. Küche, wo ist was und wie eingerichtet. Schachtelwirt oder selbst kochen möglich? Wasserbett – naja, wer’s mag, aber es gibt noch Trockenbetten in den Kinderzimmern.
Es grummelt draußen vor der Tür und der Kollege kommt. Wir richten uns ein, füllen den Kühlschrank mit Einheimischem aus dem Coop und fühlen uns zuhause.
An einem der nächsten Abende stellen wir fest, dass es Fußspuren in die Garage rein gibt, aber nicht wieder raus. Manchmal ist frischer Schnee ganz nützlich. Wir inspizieren das gesamte Haus und finden nichts. Am nächsten Morgen gehen die Spuren wieder raus und wir suchen nochmals genauer und stellen fest, hinter der Garage gibt es einen Heizraum und da dahinter noch ein Zimmer. Wir öffnen nach anständigem, aber nicht beantwortetem Anklopfen vorsichtig die Türe und treten ein. Bett, Schrank, frische Wäsche auf der Kommode, eine Bluse hängt aufgebügelt am Schrank: „Es riecht nach Mensch.“ Wer wohnt hier? Wir stellen Fallen, vertuschen morgens unsere Spuren im Schnee. Ab und an sind morgens Spuren da, aber wir haben nichts bemerkt. Wir parken abends unser Fahrzeug so eng vor der Garagentüre, dass sie nicht zu öffnen ist. So muss sie bei uns vorbeikommen. Fehlanzeige, die nächsten Tage passiert nix. Mit einer telefonischen Order nach Hause soll uns jemand bei nächster Gelegenheit ein paar Schachteln dieser berühmten eingelegten und in Schokolade verpackten Kirschen mitbringen.
Wir legen dann eine Spur von der Bluse am Schrank, durch die Garage, die häuslichen Werkräume bis in unsere Küche. Die Spur lag vier Tage und es gehört ne Menge Selbstbeherrschung dazu, die Kette nicht zu verkürzen oder auszudünnen.
Es war Donnerstag vor der Abreise am nächsten Tag. Wir hatten die letzten Spesen zusammengekratzt und im ICA mit Sonderangeboten einen 63 cm langen Lachs (Diagonale des Backofens – ingeniös eben.) , Spinat und Kartoffeln erstanden und hierzu ein paar Kollegen eingeladen. Neue Kreation zu dieser Zeit, hat sich aber mittlerweile durchgesetzt.
Wir sitzen in seliger Stimmung beieinander, das letzte Stück Fisch ist auch weg, die Pyramide auf dem Tisch beginnt zu wachsen und es öffnet sich die hintere Küchentüre und ein Mädchen steht mit hochgeklapptem Pullover, gefüllt mit den Einzelteilen unserer Kette und schelmischem Grinsen im Gesicht bei uns. Sie hat sich als Tochter des Hauses vorgestellt, studiere in Umea und kommt Donnerstags immer zum Wäschewechsel heim und fährt Freitag zurück. Es erklärt sich alles.
„Einer geht noch“- Garage
Einige Herren aus der Region der Erde, wo es ostwärts von uns noch eigene Kontinente gibt, mehr Vierbeiner auf den Straßen, – sorry, Pfaden – als Blech. Sie haben auch gelernt, dass man sich abends in einem Haus zusammenrotten kann. Der Prototyp steht geschützt in der Garage, das Mietfahrzeug verbarrikadiert das Garagentor. Aussen. Weitere Kollegen kommen mit ihrem Versuchsfahrzeug hinzu, wollen hinter dem Mietwagen parken und der Fahrer ignoriert den Reibwert der Straße oder verwechselt irgendwie die Knöpfe im Fußraum. Beißt dem Gemieteten ins Heck, der flüchtet mit schmerzverzerrtem Hinterteil nach vorn in die Garage und schiebt den Prototyp im Sandwich zwischen Tor und Rückwand in den Garten … mit Werkbank und Regal. Mit alles. Ordnung muss sein.
©Jürgen Zechmann