Nachdem die zwei Garagen beim Hotel nicht mehr zum Umbauen und Reparieren ausreichend waren, hatte uns David einen Werkstattteil auf seinem Anwesen bei Skeut überlassen. Das war ein Stück die alte Straße Richtung Westen und dann ein Abzweig durch den Wald zum kleinen Hafen Skeut. Zwei Häuser und ne Tafel „Här slutar allmän väg“ – Hier enden alle Wege.
Die Straße war eher ein Weg und grade mal einen LKW breit, rechts und links ein Graben mit ein paar Übergängen in den Wald. Die Gräben waren wie üblich mit Schnee gefüllt und die Straße war üblicherweise breiter geräumt als sie war.
Die Werkstatt roch unverschämt nach diversen Ölen, Nikotin und Bier und Kaffee. Der Boden grün gesprenkelt, zwei Hebebühnen und an den Wänden ein Sammelsurium an Kästen, Werkzeugen und hie und da ein Fenster mit Eisblumen. Die Wände tapeziert mit Millionen Werbeaufklebern rund ums Auto. Im hinteren Teil war Davids „Büro“ , ein Schreibtisch, ein Stuhl mit zerschlissenem Polster und ein Sofa, an den Stellen, wo er immer die bestiefelten Füße beim Mittagsschlaf ablegte die blanke Seegrasfüllung mit Spiralfedern. Auf dem Schreibtisch diverse beschriebene Papiere und ein paar Geldscheine dazwischen. ?? Japp, von seinen überaus vielfältigen Geschäften. „Shit money, can’t use it.“ War wohl was ohne den üblichen Weg.
Wenn man nun an der Werkstatt vorbeigefahren ist, kam man zu dem berühmten Schild am Ende der Welt und da hatten wir ’ne kleine zweite Teststrecke errichtet, da es dort im Dezember schon befahrbares Eis gab, weil das Wasser recht flach war. Es hatte sich bei unserer Kundschaft rumgesprochen, dass man da auch testen kann – man hat hier seine Ruhe und die Werkstatt war nicht so weit weg. Nun passierte es halt ab und an, dass man auf dem schmalen Weg Begegnungverkehr hatte und einer dann rückwärts fahrend Platz machen musste. Harry hatte einen „Vierradler“ der Ringler als Versuchsfahrzeug und damit ließ es sich vortrefflich mit zwei Rädern und Schwung in den Graben fahren, den Entgegenkommenden verdutzt passieren lassen und mit Schmackes und etwas Spriteinsatz wieder aus dem Graben raus. Also ohne Stop, wie aus einem Guss. Der andere sah Verderben auf sich zukommen und fuhr auf der anderen Seite in den Graben – stationär. Longtime Parking, Freikaufen, das übliche Programm eben. Harry sah natürlich im Rückspiegel wegen der aufgewirbelten Schneefahne nix und fuhr weiter, von hinten kann ja keiner kommen. Wenn man das einige Male praktiziert, wird man berühmt. So suchten ein paar Geschädigte abends an der Bar „die Wildsau, die einen in den Graben drängt“.
Ein anderer Harry dachte, es nachzumachen, nur sollte man vorher wissen, mit welchen Fahrzeugen das geht, an welchen Stellen man in den Graben kann und sich nicht eine Stelle vor einem Übergang in den Wald suchen. Das kann weder die Vorderachse noch der Türschweller und es gibt ein Ticket heim fürs Blech – Liegendtransport.
Eine Kiste Filme
Es war knapp vor der Serieneinführung des ABS, man brauchte Werbematerial. So schickte uns die Zentrale der Firma ein Filmteam. Da die Jungs das erste Mal in Lappland waren, war die Begeisterung groß über die Motive, das Licht und eben das ganze künstlerische Gehabe. Somit wurden aus den drei Tagen Filmdreh mal locker zwei Wochen. Da es am Ende einer Erprobung war, sollten wir noch „ein paar Tage dranhängen“ und nur für die Filmer da sein. Da sich nach einer Woche noch nicht viel auf Zelluloid bannen ließ, weil der Zweck des Films und die schöne sonnenbeschienene Landschaft nicht unter einem Hut Platz hatten. So musste einer vom Marketing her, Filmrohmaterial mitbringen und wir ’ne weitere Woche verlängern. Das war so natürlich nicht eingeplant. Die Spesen, das Feierabendbier und überhaupt die Absacker waren zu Ende. Der Marketingler muss noch was mitbringen, was er dann auch tat. Als er dann in Lulea durch den Zoll marschierte, mit einem klingenden Karton auf der Schulter – die Jungs sollten da ja nicht reinschauen! – wurde er missmutig gefragt, was da drin sei. „Filmmaterial, wir machen …. “ , worauf der Zöllner grinste und am Abend im Hotelfoyer saß, um auch was von dem „Film“ abzubekommen.
Unter der Brücke von Arvidsjaur
Dann endlich heimfahren. Wir bringen die Fahrzeuge nach Luleå, dort werden sie von eingeflogenen Kutschern heimgefahren und wir können im Firmen-Jet heimfliegen. Ich sitz bei Harry im Truck und wir unterhalten uns über das Leben an sich. Am Ortsschild Arvidsjaur entfleucht Harry ein satter Fluch. ?? Die Brücke! Jaaah, die alten Hasen wissen noch, dass die Bahnlinie nach Moskosel über ne Brücke ging und der Verkehr unten durch. Max High 3m. Es ergibt sich ein Gespräch in der Kabine: „“ Wie hoch sind wir? – Mehr als 3m. – Wieviel? – Keine Ahnung, viel kann es nicht sein. – Probieren? – Ich blamier mich doch nicht. – Haste überhaupt n LKW-Führerschein? – Ja, vom Bund. – Und jetzt? – Druck ablassen in den Reifen? – Und wie Druck wieder rein? – Die Tanke ist am anderen Ende von Dorf. – Rückwärtsfahren. – Mittm Hänger? hab ich noch nie gemacht. Ich kann bloß driften mittm Hänger, aufm Eis. – Und du? – Ich war nicht beim Bund. Du, da hinten warten schon zwei, ob’s weitergeht. Warum ginst der, der da vorbeifährt so genüsslich? Also komm, dann halt rückwärts. … „“
Wir hätten fast den Flieger verpasst, weil die Rückwärtsfahrenmüssenstrecke zieeemlich lang war und der Hänger immer wieder unkameradschaftlich muckte und passierende, neugierige Schweden vorbei wollten. Heutzutage wäre das ’ne Meldung in der Testerzeitung wert. Aber wir brauchten das nicht, wir haben genügend Selbstvertrauen und außerdem kennen uns jetzt einige Leute mehr.