Neben unserem Appartement war ja noch ein weiteres, kleines, das abwechselnd von unseren Kunden „bewohnt“ wurde – in gleicher Manier wie wir. Mit Büro, Elektrowerkstatt und Lungerecke. Da sich die Herren vom Stern und die Weiss-Blauen nicht kennen durften, kamen sie immer nacheinander, bis auf ein Wochenende, wo die einen beschlossen, erst am Montag heimzufahren und die anderen schon am Freitag ankamen.
Wir nutzten natürlich die Gunst der Stunde und es sollte für Samstagabend ein gemeinsames Abendessen geben. Schwäbisch, selbstgekocht, na was wohl – klar : Kässpätzle. So fragten wir Gunn-Marie, ob wir die Kücke benutzen dürfen, was spontan genehmigt wurde, wir waren ja mal wieder die einzigen im Hotel. Manchmal hätte man schon die deutsche Flagge aufs Dach setzen können.
Zuerst: Schlachtplan. Wer macht was und wer besorgt und wer kocht und wer serviert?
Jaaah , Kässpatzen für fünfzig Mann sind kein Pappenstiel, zumal die Herausforderung, handgeschabt im Raume stand. Es folgte ein größerer Einkauf im Dorf. Wie erklär ich einer schwedischen Verkäuferin, wir brauchen Käse, der Fäden zieht , wenn er warm ist … ? Rechts und links von hilfsbereiten und interessierten schwedischen Hausfrauen flankierte Ingenieöre an der Käsetheke. Wär heute wahrscheinlich heut n Renner auf diesem Tubenkanal.
Achso, Hackfleisch geht so: Du machst ne kurbelnde Bewegung mit der rechten Hand, unterstützt das mit akustischem „rrr rrr rrr“ und „muuuh“ und als Menge eine oder zwei hohle Hände. Funktioniert – Ehrenwort. Und man wird beim nächsten Einkauf gegrüßt.
Wir schätzten die Teigmenge nach Gutdünken und Hoffnung ab, warfen die große Teigmischmaschine – gut für Mischgut von 50 Liter – an und machten uns ans Werk. Eier, Wasser etc. Da der Koch zugegen sein musste, damit wir die Geräte fachgerecht und nicht ingeniös bedienten (try&error), saß er in einer Ecke und telefonierte mit seiner Freundin. Die Teigmaschine werkelte vor sich hin und bald stellte sich heraus, der Teig war noch zu flüssig. Man schickte ihn also los, um noch etwas Mehl zu beschaffen, worauf er alsbald mit einem Sack auf der Schulter ankam und sich über die Teigmaschinenschüssel lehnte und eine Ecke aufbrach, damit das Mehl in die wässrige Sosse rieseln sollte. Ja, sollte. Da sich aber der Mehlsack unkameradschaftlich durch eine der unkalkulierbar vagabundierenden Gravitationswellen getrieben von der Schulter mit größerer Schüsselanziehung in Richtung dieser machte, landete der gesamte Sack im Zuber, die Mischarme zerrissen den Sack und eine infernalische Wolke ergoss sich aus der Trommel in die Küche und ließ alle, die umherstanden in Millisekunden zu alten Schneemännern werden.
Stille. Schrecksekunden. Die einzelnen Kollegen waren nur durch ihre Stimmen zu unterscheiden, die teilweise laut schimpfend und hustend versuchten, irgendwo frische Luft zu ergattern. Einer riss das Fenster auf und schrie „Explosionsgefahr“. Dass er nicht ein Fenster nach draußen, sondern die Durchreiche zum Restaurant erwischte war zunächst egal, nur – Luft!!
Als sich dann nach geraumer Zeit die Aufregung und das Mehl in der Luft gelegt hatten, ging es ans Spätzleschaben. Ein riesiger Topf mit kochendem Wasser stand auf dem Herd, aber zum Schaben war er zu hoch, so musste unser Scheff, nicht nur Abteilungsleiter sondern auch Koch-Leiter, auf einem Stuhl stehen, um aus anatomisch optimaler Höhe die Spatzen ins Wasser schaben zu können. Apropos schaben: Da in dieser Küche natürlich kein Schabbrett zu finden war, wurde Harry, unser Schrauber in die Garage geschickt, mit der Flex eine saubere Schabkante an ein Fleischschneidbrett zu schleifen.
Da man beim Schaben immer Nachschub auf dem Brett braucht, stand ein weiterer Harry neben dem Pott auf einem Stuhl und löffelte Teig nach. Nach langen zehn Minuten klagte dieser Harry über schmerzende Schultern und verlangte Ablösung. Ging aber nicht, weil nur er schaben konnte – so war eben die Beschlusslage der im Tal umstehenden Kollegen. So bekam Harry, der Schabende, auf einem weiteren Stuhl einen Schultermasseur beigestellt und die Zuschauer feuerten ihn wortgewaltig an. Einer unkte, jemand müsse später mit ihm auf die Toilette, weil er seine Arme nicht mehr bewegen kann.
Parallel hierzu wurden gefühlt tonnenweise Zwiebeln geschält, geschnibbelt und angebraten, ebenso der Schinken, weil wir keinen Speck hatten. Erklär mal einem schwedischen Koch, was Bauchspeck ist. Jaah, Kopfkino!
Zwischenzeitlich hatten wir dann im Restaurant die Tische gedeckt und wenn wir einen Staubsauger gefunden hätten, hätten wir auch das geflüchtete Mehl wieder eingesammelt. Dabei kam uns der Gedanke, dass es ja auch Kollegen unserer Kunden gab, die keinen Schinken essen konnten-durften-wollten. Somit gab es zwei Mischungen, eine mit und eine mit ohne Schinken.
Ich brauch ja nicht erklären, dass auch Harolds Weinkeller den Plünderungen nicht widerstehen konnte. Ja, wir wussten auch, wo die Schlüssel hingen …. Scheff-Harry betonte immer wieder, das kommt alles auf die Rechnung zur Gästebewirtung …
Es brauchte ja auch einen Nachtisch! So haben sich wiederum ingeniöse Kollegen gefunden, die aus den Beständen der Küchenvorräte Kuchen bastelten. Welche mit „Anker“, mit „Stern“ und mit „WeissBlauem“ Logo. Wie bekommt man Sahne blau? Ja mit Blue „Kürassau“ aus der Bar, ist zwar geschmacklich gewöhnungsbedürftig, aber da müssen die durch.
Ja, und nach dem Essen gab‘s Tanz. Klar, ohne Mädels, das gab die Gästebewirtungsrechnung nicht her.
Ach so, den Koch haben wir ob des Unfalls mit dem Mehl zu Aufräumen verdonnert, damit seine Küche mal wieder zivil aussieht.
©Jürgen Zechmann