Streng geheim! Kapitel 56: Highlights aus der neuen Zeit – 2003

Es war Umzugszeit von den alten Standorten auf das neue Testgelände. Ein neuer Harry, der vom Testen nur ansatzweise was gehört hat, aber sich mit Standortaufbau auskennt, kommt mit mir zum ersten Mal im Herbst nach Lappland. Wir sind die Einzigen auf dem langen Weg nach da „oben“. Schon die Begrüßung der Stewardess an Bord der „Albatros-Air“, die uns vollends nach Norden bringt, hat ihn verwundert. Sie empfing mich mit einem verwunderten „Was machst Du denn schon hier“, garniert mit einem Bearhug unter der Flugzeugtür. Das ging aber später im Dorf grade so weiter. Er kam aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus und erzählte mir immer wieder, dass er das keine zwei Jahre aushält – lauter Verrückte. (Letztlich waren es immerhin mehr als zehn Jahre). Mein Auftrag war, ihn in das Leben der Testerei einzuführen und den Umzug der Standorte vorzubereiten.

Am ersten Abend gingen wir deshalb richtig schwedisch Essen. Im Hotel am Berg waren wir auch die einzigen Gäste und man setzte uns in eine Ecke mit herrlichem Ausblick aufs Dorf. Dafür musste die Bedienung dann quer durch das gesamte Restaurant und vier Stufen auf den höher gelegenen Teil laufen.
Das Studium der Speisekarte erledigte sich schnell, mit der Entscheidung Renfilet mit Tellergarnitur. Schnellbleiche in Lappländischer Küche. Da muss er durch.
Zwei Bier weiter kam das Essen und Harry schaute auf den Teller. Dort befanden sich neben Kartoffelgratin und Gemüse zwei daumengroße Stückchen Renlende, die sich in etwas Soße langweilten. „It‘s a joke“ – mit vorwurfsvollem Blick zur überaus verwundert schauenden Bedienung, ich konnte gar nicht so schnell reagieren, „It‘s a joke“. Nach einer kleinen Diskussion über das Verhältnis von Preis und Menge verschwand sie – „I will fix it“ – in der Küche und kam einige Minuten später wieder mit einem weiteren Teller mit zusätzlichen Stückchen, was uns (ihn) dann zufriedenstellte. Durchs Bullauge der Küchentür musterte uns der Koch mit leicht grimmigem Blick.
Am Standort erzählten wir das einer Kollegin aus unserem Providerteam und sie schaute mit erschrockener Mine zurück – Wisst ihr, dass ihr den gestern arm gemacht habt ?? Renlende ist tierisch teuer!!
Ein paar Tage weiter, – haben die auch was ohne Ren?? Jaha, die Tournedos auf der Speisekarte hatten uns schon beim letzten Mal angemacht. Nach der Erfahrung mit den Lenden fragte ich dann gleich bei der Bestellung nach der Größe und der Menge. Sie beschrieb uns das sehr bildlich und sprach aber immer nur von einem. TournedoS – „S“ – das ist Mehrzahl“ „Nonono“ – „DOCH!“ Harry intervenierte auf für das Mädel unverständlichem Schwäbisch und in die Speisekarte starrend: „heer uff, des hoist so.“ „halt dei Gosch, i brobiers halt mol.“ … und so schlich sie verzagt zurück in die Küche, worauf das Gesicht wieder in dem Bullauge der Küchentüre erschien, resigniert schaute und sich den imaginären Schweiß von der Stirn wischte – Die schon wieder.
Nun denn, es gab doch für jeden zwei. Geht doch. Wahrscheinlich standen die dann im kommenden Winter auf irgendeiner Gästebewirtung ….

Auch wenn ich den schon mal erzählt habe, passt aber zu diesem Harry.
Wir waren die ersten Wochen zusammen „oben“ und hatten ein schmuckes kleines Häuschen von einem sehr freundlichen älteren Ehepaar. Die Versorgung mit Obst und Kuchen war hervorragend und so haben sie uns Bademäntel für den Saunabesuch gebracht. So mussten wir sie denn auch nutzen und als wir uns dann in der ersten Pause nächtens nur mit den Bademänteln bekleidet abkühlen wollten, erblickten wir Nordlicht am Himmel. Irgendwann wurde es dann doch kalt an den blanken Füßen und – grande Malester – wir waren festgefroren, mittem aufm Hof vor der Haustüre und die Straße samt Laterne war keine fünf Meter entfernt. Wenn du den einen Fuß vorsichtig durch sanftes Ziehen vom Boden hattest, war der andere ja noch fest. Also ging diese Methode nicht. Der weitere Mist war unser Präsentationsmodus. Lass uns das ingeniös lösen – Warmpinkeln- -Kann nicht-, so, nun denn – die Bademäntel ausziehen und unter den freien Fuß legen, damit der andere auch vom Eise befreit werden kann. – Hoffentlich … , ja aber sowas von Sch .. . Kommen nicht ein paar Schweden vorbeigefahren und grinsen uns vielsagend an? – Die kennen uns – na wunderbar … Am nächsten Morgen im Büro …. wir kamen nicht mal bis zum Büro … – na ja, wenn sonst nichts los ist, nur so wirst du berühmt.

©Jürgen Zechmann